Roalf

Mein Leben als Biker begann als ich in die Lehre kam. Der Ausbildungsbetrieb war recht weit weg und außerhalb jeglicher ÖNV-Zivilisation. Aber irgendwie musste ich täglich dort hingelangen. Die Frage nach einem Chauffeur wurde, aus mir unerfindlichen Gründen, sofort von meinen Eltern abschlägig beschieden. Auch meine Idee, eine Lehre als eine Art Fernstudium von Zuhause zu absolvieren, traf weder bei meinen Eltern noch bei meinem Ausbildungsmeister (bei dem nur vorerst) auf fruchtbaren Boden. Also gab es kein wenn und aber und meine Eltern kauften mir (widerwillig) ein Peugeot-Mofa (ich war noch nicht 16). Aber mal ehrlich, ein Mofa ist stillos, würdelos, jämmerlich....man ist von gesellschaftlicher Anerkennung soweit entfernt wie Dieter Bohlen von einem Literaturnobelpreis. Ich schlich durch die Gegend und hoffte, dass mich niemand sieht. Natürlich wurde ich gesehen! Und ich sah aus wie ein Depp!
Und ich kam nicht von der Stelle!

Diverse Frisierversuche brachten hier ein halbes km/h mehr und dort eins und dort eins. Das Ergebnis: ich kann nicht von der Stelle. Dieser unhaltbarer Zustand musste spätestens mit 16 beendet sein. Also wurde gespart und eine gebrauchte Kreidler Florett angeschafft. So überbrückte ich die Zeit bis 18.

Die Geschichte mit meinem ersten Motorrad (die Kawasaki Mach III H1) kennt ihr ja, deshalb überspringe ich sie hier.

Nach der Mach III gab es in wildem Wechsel Enduros. Eine Kawasaki KL250 zuerst, dann eine Honda XL500 (die mich in einige nette Gegenden gebracht hat) ....und so weiter. So weiter??? Es gab kein weiter (!), statt einer Hondanachfolge gab es Kinder, Familie, verantwortungsvolle Rechtschaffenheit, in der der Gedanke an "born to be wild" keinen Platz mehr hatte.

Meine Liebe zu englischen Motorrädern wurde aber schon 1976 bei einem Urlaub in England geweckt. Genauso wie mein Hang zu gutem Essen. Letzteres aber eher durch Negativkonditionierung. Wenn die Küche eines Landes Beleg für dessen Kultur ist, haben Engländer die Kultur eines Komposthaufens. Seit dem pflege ich mein körpereigenes Nährstoffdepot. Es könnte ja wieder ein spontaner Urlaub in England anstehen. Und dann bin ich vorbereitet!

Aber zurück zu den Motorrädern: Allenthalben sah man Triumphs, Nortons und BSAs mit unnachahmlichen Sound auf den Strassen. In jedem Pub waren die Fahrer sofort an ihren öligen Hosenbeinen und Schuhen zu erkennen. Eine damalige Boneville bedachte nicht nur den Motor mit Öl, sondern gab dieses isotrop als Nebel in die Umwelt ab. Auch die Zuverlässigkeit der Motoren schien eher bescheiden. Man sah des öfteren welche am Straßenrand basteln. Eigentlich immer. Zudem wurden englische Motorräder von Lucas dem "Erfinder der elektrischen Dunkelheit" (Englisch: "Lord of the Darkness") beliefert, so dass diese des Nachts nur als unverkennbares Geräusch auszumachen waren. Aber sie wurden von ihren Besitzern mit solcher Inbrunst geliebt, dass sich in mir der Verdacht regte, dass diese Maschinen etwas ganz besonderes sein müssen.

Irgendwann, Jahre später, sah ich am Möhnesee tatsächlich eine Gruppe rotblonder Engländer mit ihren alten Bonevilles und BSAs. Die hatten es tatsächlich soweit geschafft! Mit einer BMW durch die Sahara, pah...das kann jede Schwuchtel. Aber mit einer Boneville an den Möhnesee? Das können nur echte Männer. Dazu braucht man Nerven aus Stahl, Haare auf der Brust (auch wenn es rotblonde sind), die Gemütsruhe eines Sprengmeisters, die psychische Härte eines Arktisforschers, öldichte Unterschenkel, die Infrarotaugen von Supermann, das Improvisationstalent von McGyver und schutzgasgeschweiste Zahnbrücken. Ich konnte damals meine Augen nicht von der Gruppe lösen. Ich schaute auch noch sinnierend hinterher als sie mit Ohrengetöse hinter dem nächsten Hügel verschwanden. Der Motorradsound verebbte aber noch lange nicht. Er setzte sich in mir fest. So wie Kaugummi unter den Schuhen klebte der Gedanken an ein englisches Bike von nun ab in meinen Hirnwindungen.

Sehr viel später dann, Es war 1990, las ich dass Triumph wieder Motorräder baut. Und alle Tests ließen keinen Zweifel: die bauen dort etwas so ordentliches, dass es in Punkto Qualität den weißblauen Gummikühen in nichts nachstand. Aber kein Langnese-Design mit Entenschnabel wie bei den bajuwarischen Grobschmieden. Sondern wirklich hübsch. Engländer (und auch Italiener) haben eben ein Gefühl für Design.